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Traces
of Asia
coviello
classics
COV
60706
Kammermusikwerke
von
Alireza Mashayeki (Iran)
Misato Mochizuki (Japan)
Kee Yong Chong (Malaysia)
Suren Soronzonbold (Mongolei)
Jamilia Jazylbekova (Kasachstan)
Leilei Tian (China)
empfohlen
durch klassik.com
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CD-Traces
of Asia
Label: Coviello ClassicsKulturen überschreitender Dialog für
Neugierige
Kritik von Dr. Stefan Drees, 27.05.2007
Empfohlen durch Klassik.com
Der
Globalisierung und der vermeintlich drohenden Einebnung kultureller
Unterschiede zu Gunsten einheitlicherer Musikstile zum Trotz, wie
sie in der populären Musik längst Fuß gefasst haben,
lässt sich im Bereich zeitgenössischen Komponierens eine
spannende Tendenz beobachten, die sich in den vergangenen Jahren
gar verstärkt hat: Komponistinnen und Komponisten, die in außereuropäischen
Musikkulturen beheimatet sind, reisen in den Westen, wo sie ganz
oder teilweise ihre Ausbildung absolvieren, während sich in
ihren Arbeiten zugleich die Kultur ihrer Heimatländer Bahn
bricht und die musikalische Sprache vernehmbar bestimmt. Dies verdeutlicht,
dass die Hinwendung nach Europa längst nicht mehr jenen musikalischen
Kulturschock auslöst, der einst zur Zurückdrängung
einheimischer Musiktraditionen geführt hat.
Ganz im Gegenteil ist insbesondere bei jüngeren Komponisten
ein neues Selbstbewusstsein zu spüren, das zur fruchtbaren
musikalischen Auseinandersetzung mit den konträren Voraussetzungen
von europäischer Komponiertradition und eigenen kulturellen
Wurzeln führt.
Diesen Umstand hat das in Hamburg ansässige ensemble Intégrales
als Ausgangspunkt für eine faszinierende CD-Produktion beim
Label Coviello gewählt, auf der es Werke mehrerer asiatischer
Komponisten versammelt. So unterschiedlich die Herkunft der sechs
ausgewählten Komponisten ist, so spannend und vielfältig
ist auch die Auseinandersetzung mit den Bedingungen der Musikkulturen,
die sich in den entstandenen Werken abzeichnet. Trotz hochgradiger
Individualisierung der künstlerischen Konzeptionen spiegeln
sie das künstlerische Spannungsfeld, in dem sich die Komponisten
jeweils bewegen, auf einzigartige Weise wider.
Neben der Japanerin Misato Mochizuki (*1969) und der aus Kasachstan
stammenden Jamilia Jazylbekova (*1971) erstere hat in den
vergangenen Jahren mit zahlreichen Kompositionen auf sich aufmerksam
gemacht, letztere ist gerade in jüngster Zeit mit einigen spannenden
Werken an die Öffentlichkeit getreten kommen hier der
Iraner Alireza Mashayeki (*1940), der Malaye KeeYong Chong (*1971),
der mongolische Komponist Suren Soronzonbold (*1958) und die Chinesin
Leilei Tian (*1971) zu Wort und führen den Hörer in sehr
individuelle, aber dennoch immer faszinierende Klangwelten.
Die Ergebnisse dieser Zusammenstellung sind denn auch gänzlich
anderer Art als jene seichten Machwerke, die etwa von der Firma
Naxos unter dem Etikett Century Classical Chinese Music
verkauft werden und sich als Musik in der romantischen Tradition
mit einigen exotischen Einsprengseln entpuppen.
So schwebt etwa die Komposition Meta X Nr. 3 (2003)
von Alireza Mahsayeki auf eigenartige Weise zugleich zwischen orientalischer
Melodiebildung und Techniken okzidentalischer Klangbefragung wie
zwischen improvisatorisch anmutender Leichtigkeit und streng komponierten
Abschnitten und verknüpft so die gegensätzlichen Elemente
zu einer Einheit voll kraftvollen, bisweilen gar eruptiven Ausdrucks,
ohne dass dabei deren Eigenarten verloren gehen.
Misato Mochizuki vermittelt in Intermezzi I (1998)
bereits 2003 auf einer Porträt-CD des Labels Kairos erschienen,
hier jedoch deutlich profilierter vorgetragen die heterogenen
Klangwelten eines an japanischer Flo_tenmusik orientierten Vortrags
und die experimentelle Klangerkundung im Klavierinnern und gelangt
dabei zu einer farbenreichen Musik, die passagenweise auf eigenartige
Weise zu schweben scheint. Als einziger Komponist arbeitet Kee-Yong
Chong in Metamorphosis IV (2002) mit elektronischen
Zuspielungen und stellt dabei tönende Beziehungen zwischen
den in englischer und chinesischer Sprache vorgetragenen Texten
und den beiden verwendeten Streichinstrumenten her, die sich an
einigen Stellen zu einer fast berauschender Wirkung verdichten.
Suren Soronzonbold besinnt sich auf seine kulturellen Wurzeln, indem
er ausgehend von schamanistischen Vorstellungen jeder
Instrumentalstimme in dem lediglich mit den Satznummern I
und II überschriebene Werk (2005) ein Eigenleben
verleiht, sie jedoch zugleich subtil in ein übergeordnetes
Beziehungsnetz einbindet.
Hingegen sucht Jamilia Jazylbekova in sfiorasi (2004/05)
die Stille, indem sie mit leisen, teils geräuschhaften Instrumentalkla_ngen
eine sanft tastende Musik mit sphärischen Wirkungen entfaltet
und damit auch eine der stärksten Kompositionen dieser CD vorlegt.
Im Gegensatz hierzu schafft Leilei Tian schließlich in Ensembles
Intégrales (2005) eine Welt der entfesselten Klänge,
die den Musikern ein Maximum an technischen Fähigkeiten abverlangt
und in der Behandlung der Instrumente immer wieder das Kolorit chinesischer
Wölbbrettzithern anklingen lässt.
Zum Gelingen des Projekts trägt das Engagement der Ensemblemitglieder
entscheidend bei, die hier in unterschiedlichen Besetzungen aufeinander
treffen und mitunter erhebliche instrumentale Anforderungen zu bewältigen
haben. Daneben ist aber auch das außerordentlich klare und
durchsichtige Klangbild zu erwähnen, das die Wirkung der einzelnen
Kompositionen sicher noch steigert und eine Konzentration auf die
kleinsten Details erlaubt.
Traces of Asia gehört für mich zu den aufregendsten
und aufschlussreichsten Produktionen aus dem Sektor der zeitgenössischen
Musik, die in den letzten Jahren in meinem CD-Player gelandet sind.
Die Platte macht etwas von jener musikalischen Vielfalt bewusst,
von der wir eigentlich umgeben sind und führt von der Fixierung
auf bestimmte etablierte Komponistengestalten aus dem mitteleuropäischen
oder amerikanischen Raum weg zu den Facetten eines Kulturen übergreifenden
Dialogs, der sich heute gerade im Schaffen junger Komponisten abspielt.
Diejenigen Hörer, die sich ihre Neugier bewahrt haben und dem
Zeitgenössischen gegenüber aufgeschlossen sind, bekommen
hier die Möglichkeit einer einzigartigen Horizonterweiterung
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2)VOOR
HET HOOREN GEBOREN - Kammermusikwerke von Marko Ciciliani
coviello classics
COV 60601
Voor
het hooren geboren (2000)
KöperKlang (2003)
Matrosen, Leprakranke, Opiumraucher, Spione. Mit so 'ner Familiengeschichte,
wie haben wir da was anderes werden können als Schlampen (2002)
Signboard-Billboard (2004)
Gartenmusik (1999)
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Porträt-CD
Marko Ciciliani
Aus
den fünf Werken, die von ensemble Intégrales auf CD
eingespielt wurden, können wir schliessen, dass Marko Cicilianis
musikästhetisches Denken durch das Spielen mit musikalischen
Formen und der Freiheit, der Interpreten gekennzeichnet wird, die
sie bekommen, um unter anderem die Komposition mit zu beeinflussen.
Ciciliani arbeitet dieses musikalische Prozedere in jeder der fünf
Kompositionen auf eine andere Art und Weise aus. Alle musikalischen
Parameter können dabei an die Reihe kommen, und sogar Bedingungen
werden als Möglichkeit eingebaut, um menschliche Fehler in
der Ausführung zu verwirklichen.
Im dritten Werk beispielsweise muss die Bratschistin ihren Ausgangstext
selbst wählen. Der wird anschliessend aufgegliedert in Buchstabengruppen,
wonach jeder dieser Buchstabengruppen eine ihr eigene musikalische
Ladung mitgegeben wird. Und in Körperklang und
Gartenmusik wird der Raum selbst, in dem das Stück aufgeführt
wird, zu einem Parameter, der dem Stück seine Form gibt.
Es geht hierbei um eine Art Fortsetzung einer Anzahl musikalischer
Errungenschaften aus dem hinter uns liegenden Jahrhundert, und sie
formen einen Bruch mit dem traditionellen Musikbegriff. John Cage
experimentierte mit dem Konzept, Musik vom Komponisten zu befreien,denn
Klänge mussten ja doch ihren freien Lauf haben. Und Stockhausen
und Boulez spielten mit der grossen Form, wobei Elemente von Bestimmtheit
und von Unbestimmtheit miteinander wetteiferten.
Aber es lässt sich natürlich noch mehr bemerken zu Cicilianis
Musik. In 'Voor het hooren geboren' offenbart sich eine wunderliche
kaleidoskopische Welt von musikalischen Genres, eine Art Rückgriff
auf Komponisten, auf collageartige und interkulturelle Aspekte.
Das Werk beginnt mit einer an Minimal Music erinnernde Passage,
möglicherweise als eine Ehrenwerweisung (Referenz) an Louis
Andriessen, von dem auch der gesungene Text stammt. Darauf folgen
hintereinander Abschnitte, unter denen zu einem bestimmten Moment
ein Fragment durchklingt, das Luciano Berios Sequenza III für
Gesangsstimme gleicht. Zugleich besteht da eine Verwobenheit mit
fernöstlich anmutenden Klängen, die den Eindruck einer
interkulturellen Verbundenheit erweckt.
Dieser Aspekt wird in der Ausarbeitung der Komposition dadurch verstärkt,
dass in ständigen Variationen anhemitonisch pentatonischen
Elemente benutzt werden, eine Tonleiter, die aus fünf Tönen
besteht. Sie formt ein stark bindendes Element zwischen den aufeinanderfolgenden
Fragmenten und ist das Resultat eines bewusst durchdachten Aufbaus.
In 'Voor het hooren' geboren wird dieses Schema gekoppelt an eine
transparante Klangwelt, die dem Werk eine bestimmte Leichtfüssigkeit
gibt. Elektronische beschwingte Klänge verschmelzen mit den
akkustischen. Sie werden so miteinander kombiniert, dass ein harmonischer
Zusammenfluss entsteht. Harte und abrupte Übergänge findet
man in diesem Stück nicht. Die Expressivität von V'oor
het hooren geboren' ist vor allem charakterisiert durch ein grosses
Gefühl für Subtilität und poetisches Denken.
Das kommt auch wieder zurück im zweiten Werk Körperklang,
worin der Aspekt der Minimal Music in grossem Stil in Kombination
mit Live-Elektronik ausgebaut wird. Auch hier werden wieder Fragmente
hintereinander gestellt, denen ein charakteristisches subtiles Gefühl
für die Klangfarbe zueigen ist.
Ciciliani präsentiert sich in den aufgenommen Werken als ein
Komponist, der die Errungenschaften der Vergangenheit mit zeitgenössischen
Mitteln in die Gegenwart übersetzt. Auf individuelle Art folgt
er der Musiktradition des 20.Jahrhunderts und bereitet gleichzeitig
den Boden für die Zukunft. In seiner Musik liegt wieder Raum
und Aufmerksamkeit für Musikalisches wie subtile Klangfarben
und gefühlvolle Poesie. Diese Parameter dürfen wieder
den Platz einnehmen, den sie früher in der Musiktradition hatten.
CD: Marko Ciciliani: Voor Het Hooren Geboren, aufgenommen von ensemble
Intégrales, Coviello Classics 2006. COV 60601
© 2006 Frans Waltmans
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3)European
Young Genration
Edition Zeitklang
ez-21019
Kompositionen
von
Christophe Bertrand
Sergej Newski
Yannis Kyriakides
Jennifer Walshe
Marko Ciciliani
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Introvertierte
Bastler und Tüftler
Zur CD European Young Generation des ensemble Intégrales
von Egbert Hiller
Die
Inanspruchnahme des Begriffs " Young Generation" mag Aufbruch,
zumindest aber Aufgeschlossenheit gegenüber dem "Neuen"
und bis dato Ungeahnten andeuten. Zudem ist die Identifikation mit
der "jungen Generation" nicht nur werbewirksam, sondern
impliziert auch Beschwörung und Selbststilisierung wie
es etwa die Rockgruppe "The Who" Mitte der sechziger-Jahre
mit ihrem emphatischen Song "My Generation" zum Ausdruck
brachte. Zwar wurden auch auf dem Feld der sogenannten Kunst- oder
E-Musik "Paradigmenwechsel" von Vertretern der jeweils
jungen Generation eingeleitet, zur Zeit ist am Horizont freilich
kein deartiger Umbruch auszumachen. Doch dieses Bild kann trügen,
und die Spurensuche lohnt sich allemal, zumal wenn, so beim Projekt
"European Young Generation" des ensemble Intégrales,
hinsichtlich Provenienz und kulturellem Hintergrund ein breites
Spektrum erfasst wird: Werke von jüngeren Komponisten aus sieben
europäischen Ländern präsentiert das in Hamburg ansässige
Ensemble, das sich seit nunmehr dreizehn Jahren der zeitgenössichen
Musik, dabei Rand- und Grenzbereiche nicht ausklammernd, widmet.
So unterschiedlich die künstlerischen Ansätze der "European
Young Generation" auch anmuten, als übereinstimmendes
Merkmal drängt sich die Erkenntnis auf, es bei der jungen Generation
nicht mit Verfechtern fulminanter Ausdrucksgewalt, geschweige denn
mit "avantgardistischen" Umstürzlern, sondern mit
introvertierten Bastlern und Tüftlern zu tun zu haben
was angesichts der enormen Vielfalt der internationalen "Szene"
natürlich entscheidend von der Auswahl abhängt, will sagen:
Das ensemble Intégrales vermittelt eine ganz bestimmte Sicht
auf die " Young Generation"; und diese ist zwar durchaus
eingeschränkt, kommt in den ausgereiften Interpretationen aber
prägnant zur Geltung; so in "Limen" des 1970 geborenen
Italieners Tiziano Manca, der mit ungewöhnlicher Besetzung
(Tenorsaxophon, Marimba und Gitarre) über (akustische) Grenzziehung
und Grenzüberschreitung reflektiert. Im spitzfindigen Changieren
zwischen Zögern und Riskieren fordert er die produktive Wahrnehmung
des Hörers heraus und gemahnt unaufgesetzt an existentielle
Dimensionen. Nach innen richten sich auch die Energieströme
in Christophe Bertrands (geboren 1981) Aus: Aus einem
diffusen Kosmos mikrotonaler Verschwebungen lösen sich geradezu
elektrisierende Klangimpulse, die jedoch eher um sich selbst kreisen,
sich selbst bespiegeln, als dass sie unmittelbare Expressionskraft
entfalten.
Zwischen Verhüllung und Verkündigung schwebt, bildlich
gesprochen, Sergej Newskis (geboren 1972) "Bastelmusik"
in der ätherische Leuchtstreifen der Violine von akzentuierenden
Klangsplittern ummantelt werden. Wartet das Werk des Russen ganz
wie von selbst mit (relativ) unverbrauchten Klängen auf, so
erhebt die 1974 geborene Irin Jennifer Walshe die Verwendung derartiger
Klänge zum Programm ihrer Sensitive number for the laydeez.
Mit Kinderkeyboard, Melodica und Alltagsgegenständen, nebst
Altsaxophon und Viola, entführt sie in bizarre Geräuschwelten,
die allein schon ob ihrer dynamischen Subtilität dazu zwingen,
die Ohren zu spitzen.
Auf elektronische Verfremdung und Computertechnologie setzen dagegen
der 1963 geborene Deutsche Bernfried Pröve und der in England
aufgewachsene Zypriote Yannis Kyriakides (Jahrgang 1969). Die Herangehensweise
beider ist indes unterschiedlich: Während Pröve in "Choor
II" die Möglichkeiten des Computers zur quasi-seriellen
Aufbereitung und Verfielfältigung der Instrumentalschicht nutzt,
geraten die elektronisch erzeugten Sounds in Kyriakides "Chaoids"
gleichermassen zur Folie und zum integralen Bestandteil der Klangereignisse.
Zur Live-Elektronik greift auch der inAmsterdam lebende Kroate Marko
Ciciliani (geboren 1970), doch nimmt sie in "KörperKlang"
eher marginle Funktion ein. Scheinbar ziellos, doch lustvoll, ziehen
melodische und rhythmische Fragmente ihre Bahnen, als öffne
sich dank der brillanten Ausführung des ensemble Intégrales-
ein Zeitfenster in imaginäre Räume tänzerisch-träumerischer
Verspieltheit.
Musik Texte 109 | CD European Young Generation, ensemble
Intégrales, Edition Zeitklang (2101)
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